Friede Nicolas!
Wir interpretieren die Verse nicht, wie wir nach unserem Gutdünken wollen, sondern auf der Grundlage und Analyse der semantischen Gegebenheiten der jeweiligen Wörter. Es gibt Wörter, die viele Bedeutungen haben, woraus sich ergibt, dass es auch mehrere Interpretationen geben kann.
Der Vers 5:38 ist dafür ein sehr gutes Beispiel. In ihm befinden sich unter Anderem die beiden Wörter قطع qata´a und يد yad. Ich will dir mal nur ein paar Bedeutungen für diese beiden arabischen Wörter nennen, und zwar Bedeutungen, die ich nicht herbeidrehen will, sondern Bedeutungen je nach Kontext, wie du sie in einschlägigen Wörterbüchern finden kannst.
قطع qata´a
bedeutet alleinstehend abschneiden, abschlagen, amputieren, fällen, abbrechen (auch die Freundschaft), unterbrechen, ausschalten, abschalten, sperren, überqueren, versichern, aussetzen, innehalten, pausieren, gerinnen, zerreißen, überwinden, hinwegkommen über etwas, aufbrauchen, konsumieren.
In Verbindung mit Substantiven kann es zusätzliche Bedeutungen haben, wie etwa die Hoffnung aufgeben, einen Preis festsetzen und sich über ihn einigen, Fortschritte machen, den Weg abschneiden, Straßenraub begehen, einen Vertrag schließen, ein Versprechen geben, sich die Zeit vertreiben, jemanden zum Schweigen bringen, eine Fahrkarte lösen, einen Pass (beim Fußball) abfangen.
Wie gesagt, es sind nur Beispiele, die Liste ist nicht vollständig.
Und nun zum Wort يد yad:
Die Hauptbedeutungen sind Hand, Pfote, Vorderfuß, Arm, Stiel, Griff, Henkel, Autorität, Kontrolle, Macht, Gewalt, Einfluss, Oberhand, Rolle (die man bei etwas spielt), Besitz (in der Rechtssprache), Hilfe, Wohltat, Gunst, Gefälligkeit. Freundlichkeit.
Du siehst also nur an diesen beiden Wörtern, wie unterschiedlich der Sinn sein kann, was natürlich auf die jeweiligen Deutungen im jeweiligen Kontext Einfluss hat und auch haben muss. Wichtig ist selbstverständlich, das man sich nicht etwas zurechtbiegen will, um eventuell seine Ideologie zu stützen oder seine Macht zu erhalten oder eine bereits gefasste Meinung belegen zu können, sondern dass man so weit wie möglich objektiv an die Sache herangeht und sachlich bleibt sowie logisch und schlüssig vorgeht und den Kontext auch in vor- oder nachstehenden Versen nicht außer Acht lässt.
Salaam und Schalom!
Gunnar 