Frieden @Kerem, selbstverständlich Bruder; im Detail steckt bekanntlich der Teufel!
Das Wortlaut-Argument bzgl. 6:152 habe ich nicht gesehen gehabt, gut dass du darauf gekommen bist bzw. hinweist. Danke dafür!
Zum letzten Punkt, ob die Verweigerung einer Aussage ein Teilgeständnis darstellt, muss ich Zweifel anmelden. Das klingt ein wenig wie der Spruch, wer nichts zu verbergen hat, der hat nichts zu befürchten und kann ja alles offenlegen. Ein Geständnis kann immer nur vorliegen, wenn das von der Frageperson Unterstellte durch das Geständnis bestätigt wird. Es kann aber so liegen, dass ganz andere Tatsachen bekannt sind, die nicht offengelegt werden. Es kann diverse Gründe bzw. Motive geben, warum jemand nicht aussagt (Angst vor Repressalien, Misstrauen, Scham etc.). Manchmal wird das schon so sein, dass jemand nicht aussagt, um eine dritte Person nicht zu belasten. Aber das muss keine Regel sein und im Einzelfall kann man das nicht stets mit Gewissheit sagen. Man darf nicht vergessen, dass ein Zeuge normalerweise nur über Tatsachen berichtet. Die rechtliche Würdigung erfolgt durch Juristen. Was zB ein Bericht über ein Ausschnitt des Geschehens ist, kann nach rechtlicher Würdigung des ganzen Sachverhalts etwas ganz anderes darstellen (zB Notwehr).
Frieden Schwester Arzu,
du hast recht, für das Verständnis der Lesung ist allein der (gesamte) Inhalt der Lesung maßgeblich. Dass für das deutsche Strafprozessrecht Gottes Worte keine Beachtung gefunden haben, würde ich so nicht unterschreiben. Die Gesetzgeber der StPO oder eines sonstigen Gesetzeswerkes haben immer auch ihre persönlichen Motive in den Gesetzentwicklungs/-gebungsprozess eingebracht. Ich vermute, dass zahlreiche Menschen in Europa auch geprägt sind von einem gewissen Verständnis vom Alten und Neuen Testament. Was sie aus diesen Offenbarungen an Grundgedanken entnommen haben, konnte durchaus auch weiter Anklang finden in der (menschlichen) staatlichen Gesetzgebung.
Was deine erste Frage anbelangt, so muss ich dich bitten zu differenzieren. In dem Vers 4:135 geht es um eine Zeugenaussage, also wenn jemand dazu aufgefordert ist ein Zeugnis abzulegen gegenüber jemand (und unter Umständen auch gegen jemand anderes). Es ist mithin quasi eine passive Rolle gegenüber der aktiven Rolle der Frageperson. Man darf das nicht verwechseln mit dem aktiven Berichten von etwas gegenüber jemand anderem (was wir als Anzeige kennen). Dazu sagt dieser Vers meiner Meinung nach nichts. Über diesen Punkt gibt es in der Lesung zB den Vers 4:83, wo gesagt wird, dass Informationen die die Sicherheit bzw. das Sicherheitsgefühl betreffen gegenüber den zur Aufklärung Zuständigen mitgeteilt werden sollen, statt diese unkontrolliert in die Welt zu streuen und unter Umständen unbegründete Angst zu verbreiten. Nun muss man aber klären, ob dieser Vers schon die Aufforderung enthält, die Menschen zu verpflichten derartige Informationen mitzuteilen oder doch nur eine moralisch-ethische und damit grundsätzlich rechtlich unverbindliche Aufforderung enthält. Wenn man daraus eine Verpflichtung entnimmt, dann stellt sich wieder die Frage, was genau, also welchen Schweregrad muss etwas erlangen, damit man verpflichtet ist etwas mitzuteilen bzw. anzuzeigen. Der deutsche Gesetzgeber hat im (materiellen) Strafrecht in § 138 StGB geregelt, welche Straftaten anzuzeigen sind und damit wann man sich strafbar macht, wenn man dieser Rechtspflicht nicht nachkommt. Man sieht, es ist bzw. es war auch hier eine Wertung notwendig, denn man kann nicht verlangen, dass Privatpersonen sich gegenseitig beäugen und jedes kleine Vergehen zur Anzeige bringen. Zur Strafverfolgung sind eben nur die auf Grundlage des Gesetzes tätigen Strafverfolgungsbehörden zuständig. Auch eine Anzeige schaltet diese ein, mehr nicht.
Verzeiht mir, dass es so ausführlich wurde, aber mir erscheint das als notwendig.
Frohes Bayram-Fest!